Dienstag, 18. Oktober 2011

Lokales Betäubungsmittel

Blattkritik 
Wir leben in einer Kleinstadt. Eine, in der Tageszeitungen normalerweise Titel wie "Die Harke" haben, "Leine-Zeitung" heißen und Lokalbeilagen irgendeines Hauptblatts sind, das die benachbarte Metropole verarztet. Warum? Schauen Sie sich die erste Lokalseite des "Weser-Kurier" von heute an! Da lesen Sie, dass die Telekom "Wildplakatierer" jage. Okay. Das ist schon ne Geschichte. Nur: Ist das wirklich eine Aufmachung im wichtigsten Buch einer Lokalzeitung?

Klar, sagen Sie jetzt, weil Sie gerade auf die zweite Lokalseite schauten und feststellten, dass zweispaltig Texte gebracht werden, die folgende Überschriften tragen: "Mädchenkarussell macht nicht nur Mädchen glücklich" und "Auszubildende blicken hinter die Kulissen der Redaktion". Wenn so was auf die Zwei im Lokalen geht, sind Plakatierer ein Knüller. Wenigstens der Seitenaufmacher auf der Zwei versprüht so etwas wie Relevanz.  Es geht um die Anzahl der Bewerbungen an der Bremer Uni. Seite 3 des Lokalbuchs hat ein Schwerpunktthema. Wir fragen uns aber, ob man wirklich eine Seite des wichtigsten Ressorts für ein zeitloses und nicht bremen-spezifisches Thema vergeben sollte. Es geht um Adoptionen. 

Tja. Und das war es schon im Lokalen. Ein paar Meldungen, das unvermeidliche "Tach auch", rund 100 Zeilen Aufmacher, ein 60-Zeiler, circa 140 Zeilen Aufmachung auf der Zwei, irrelevante Meldungen darunter und eine Bleiwüste auf der dritten Bremen-Seite. Das soll eine Lokalzeitung sein? 

Ja, eindeutig. Das beweist das Foto auf der Seite "Metropolregion". Wir sehen den niedersächsischen Ministerpräsident David McAllister (CDU) in gelben Gummistiefeln, Bauhelm und Warnweste beim symbolischen Spatenstich für die Bahnstrecke zum Jade-Weser-Port. Für diese inszenierten Bilder schämen sich Lokalredakteure anderswo seit Jahrzehnten — na gut: nicht in Oldenburg. (jph)

1 Kommentar:

  1. ja, so geht das wohl zu in sogenannten Landeshauptstädten. hätte ich auch nicht unbedingt anders erwartet, aber schön, den publizistischen Mangelzustand hier noch einmal so pointiert zusammengefasst zu finden. andererseits kann man ja auch kaum erwarten, dass Mitte Oktober noch alle naselang paar Freaks nen Ball über die Sielwallkreuzung kicken, das Streusalz schon aus ist oder die Fleete umkippen. oder Böhrnsen schon wieder als Bundespräsi fungieren muß, weil Wulff auch nicht mehr mag. gäbs da sonst noch was?

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